Dem AfE-/Uni-Turm, in dem ich im Herbst 1988, als brave Abiturientin aus einer idyllischen und eher konservativen Klein- und Kurstadt kommend, mein Studium begann, verdanke ich meinen ersten Kulturschock... Aber auch so manche bleibende Ein- und Aussicht.
Alter, grauer Uni-Turm,
der du trotztest manchem Sturm,
Streiks, Tumulten, Alltagstreiben,
wirst vielen im Gedächtnis bleiben,
die hier lehrten und studierten,
nach des Geistes Nahrung gierten,
viel Lebenszeit in dir verbrachten,
hehre Theorie durchdachten.
„Elfenbein“ stand ganz, ganz oben,
wo die Winde stärker toben,
doch Elfenbein sieht schöner aus –
Dein Äußeres war schon ein Graus!
Stahlbeton des „Brutalismus“ –
Brutstätte des Kommunismus?
Spruch an Spruch auf allen Wänden
mal geistreich, mal von Schmierfinkhänden.
Widerständig seit Urzeiten
solltest du all das begleiten,
was rings um dich herum geschah,
nur nicht ein jeder kritisch sah.
Heimelig – das warst du nie,
Studierende, gepfercht wie Vieh
in Lifte, die gleich Urgewalten
nicht immer wie gewünscht auch halten.
Einmal am Ziel, dort angekommen,
wo man dann doch, noch ganz benommen
die Skyline-Aussicht konnt’ genießen,
wo bis zum Taunus und nach Gießen
der Blick frei schweifte ungehemmt,
niemand den freien Geist eindämmt:
Auch die Gedanken lernten fliegen –
Kritik, bis sich die Balken biegen…
„Sprengt den Turm!“ stand es geschrieben
seit Ewigkeiten an der Wand;
nun wurd’ es offiziell betrieben
von allerhöchster städtischer Hand.
Neue Türme sollen her,
manchen Anwohnern verquer,
die hohe Mieten fürchten müssen:
Des Kapitalismus Füße küssen!
Nun liegst du da in Schutt und Staub
wurdest einer Sprengung Raub
präzise geplant und umgesetzt –
niemand wurde dabei verletzt.
Ein Symbol des Freigeists, es steht nicht mehr;
und einige, die grämt das sehr,
doch gerade diese tragen den Geist
des Turmes weiter ins Leben zumeist.
Nun ruhe sanft mit all deinen Macken
in Staub und Schutt und grauen Schlacken!
Wir haben uns längst schon von dir befreit
und geben dir nun ein letztes Geleit.
Gelernt haben wir auch in deinen Räumen,
uns gegen Unrecht aufzubäumen –
nun tragen wir’s raus in alle Welt,
ganz gleich, welcher Turm als nächstes fällt!
© Copyright Monika C. Müller 2. Februar 2014